Von der Biomasse zum flüssigen CO2
Seit diesem Frühling produziert die RWB zusammen mit der Recycling Energie AG in Nesselnbach flüssiges CO2. Abnehmerin ist die Messer Schweiz AG, die damit den CO2-Markt bedient. Wie die Anlage funktioniert und wie das Kohlenstoffdioxid weiterverwendet wird.
«Das Ganze gleicht optisch einer riesigen Tankstelle», beschreibt Philippe Lehmann, Geschäftsführer der eigens gegründeten CO2 Energie AG, die CO2-Verflüssigungsanlage. «Vor allem die zwölf Meter hohen Lagertanks stechen ins Auge.» Es handelt sich dabei durchaus um ein Pionierprojekt, um die europaweit erste Anlage dieser Art mit direktem Anschluss an die Biogasaufbereitung. «Die Realisierung war schon eine grosse Herausforderung. Gemeinsam mit dem Hersteller mussten wir Lösungen entwickeln, die es standardmässig noch gar nicht gibt.» Philippe Lehmann ist zufrieden mit dem Resultat: Einer Anlage, die jährlich bis zu 4 000 Tonnen flüssiges CO2 in Lebensmittelqualität produziert. «Wir haben mit dem Projekt einen grossen Schritt in eine klimafreundlichere Energiezukunft der RWB gemacht.»
Prozesstechnisch geht es um Folgendes: Die RWB veredelt auf dem Areal der Recycling Energie AG das dort produzierte Biogas, um es ins eigene Gasnetz einspeisen zu können. Bei diesem Verarbeitungsschritt wird dem Roh-Biogas ein grosser Anteil CO2 entnommen. Dieses Kohlenstoffdioxid gelangt nun nicht mehr in die Atmosphäre, sondern wird der Verflüssigungsanlage zugeleitet. Dort wird es gereinigt, gefiltert sowie entwässert und danach auf etwa minus 24 Grad heruntergekühlt, wobei es sich verflüssigt. Im Anschluss wird es in den Lagertanks gespeichert und mehrmals pro Woche vom Industriegase-Unternehmen Messer AG Schweiz abgeholt und auf dem CO2-Markt verkauft.
Hans Michael Kellner, Geschäftsführer der Messer Schweiz AG in Lenzburg, erklärt im Anschluss, was danach mit dem Kohlenstoffdioxid geschieht.
Herr Kellner, wie hat man sich den CO2-Markt vorzustellen?
Für uns ist CO2 einfach ein Handelsgas. Die Industriegasbranche beschafft es je nach Einsatzzweck aus unterschiedlichen Quellen: Für reinstes CO2, das in der Lebensmittelbranche zum Einsatz kommt, werden bis zu 150 Franken pro Tonne bezahlt. In Zeiten von Engpässen noch darüber.
Wofür wird das flüssige CO2verwendet, das in Nesselnbach produziert wird?
Die Verflüssigung erfolgt lediglich, um die Dichte und damit die Transportkapazität zu erhöhen. Die Industrie kann CO2 gut gebrauchen – in der Lebensmittelherstellung, im Bausektor oder auch in Gewächshäusern. Die Silo-Begasung im Futtermittelbereich ist ein weiterer Anwendungsfall. Man könnte das natürlich auch mit Stickstoff machen, doch hat CO2 zusätzlich zur Sauerstoffverdrängung eine toxische Wirkung auf unerwünschte Käfer, Motten und andere Insekten.
Welchen Bedarf an CO2 hat die Lebensmittelbranche?
Dazu zählt unter anderem die Herstellung von Getränken wie beispielsweise Mineralwasser, Bier oder Cola. In der Lebensmittelindustrie sind die Anforderungen an die Reinheit des Gases am höchsten, aber wir richten uns sowieso immer auf maximale Reinheit aus. Verschiedene Qualitäten bereit zu halten, würde sich nicht rechnen. Der Unterschied wird bei der Qualitätskontrolle gemacht.
Wie beurteilen Sie die CO2-Produktion der CO2 Energie AG?
Es gibt beim CO2 mehr Angebot als Nachfrage. Man muss dabei jedoch wissen, dass wegen der hohen Gaspreise etwa die Düngemittelhersteller ihre Produktion gedrosselt haben. Das hat direkte Folgen für Brauereien, Mineralquellen, Gemüsebauern, Händler und Schlachthöfe. Ihnen allen fehlt kurzfristig CO2. Das ist jetzt eine Chance, welche die CO2 Energie AG ergriffen hat. Ihr Vorteil: Die Produktion erfolgt auf erneuerbarer statt auf fossiler Basis, und bereits das Roh-Biogas weist eine hohe Konzentration an CO2 auf. Deswegen kann die Anlage kleiner dimensioniert werden. Das heisst auch: Die Investition ist geringer, die Amortisationsdauer kürzer – und das CO2 lässt sich günstiger produzieren. Hier sehen wir ein Beispiel, wie wirtschaftlicher Umweltschutz betrieben werden kann. Der CO2-Preis kann so in Zukunft für industrielle Verbraucher deutlich sinken.
Die Messer Schweiz AG ist ein führendes Industriegase-Unternehmen in der Schweiz und liefert seit über 100 Jahren Industrie-, Medizinal-, Pharma- und Lebensmittelgase an Firmen, Spitäler und Forschungsinstitute. Dazu gehören Sauerstoff, Stickstoff, Argon, Kohlendioxid, Wasserstoff, Helium und Gasgemische. Die Messer Schweiz AG beschäftigt über 100 Mitarbeiter, ist stark verankert in der Region Lenzburg und wächst kontinuierlich in der ganzen Schweiz.